Common Ground

Aram Bartholl
Common Ground
  • Aram Bartholl, Common Ground, Installationsansicht Werkleitz Festival 2019 Modell und Ruine, 2019
    © Werkleitz 2019, Foto: Matthias Knoch

Aram Bartholl’s Greenscreen in the Georgengarten invites visitors and those just out for a walk to take part in a photo shoot. Planes of reality intersect between the green of the parkland and the green of the screen – figure and background, object and image, analogue and digital – and likewise private and public spaces. The use of chroma key is now ubiquitous in both the film industry and photography, providing infinite opportunities for different backgrounds. Formerly popular subjects such as flower meadows, trees or park sculptures are both literally and metaphorically obscured through Bartholl’s intervention. The immediate surroundings are only one of many possible subjects for photography here: dissolving, as it were, into a world of digital multi-optionality – whereas the oversized infinity cove is conspicuous with its strange analogue material form and bulk.



Public sculpture, wood construction, carpet, concrete weights, 740 × 400 × 650 cm

Interview Aram Bartholl mit Kristina Tieke

KT: Dein Interesse gilt dem öffentlichen Raum und seiner Veränderung durch die Digitalisierung. Auf eine Wiese des Georgengartens stellst du einen monumentalen Green Screen, vor dem die Spaziergänger posieren können, als kopierten sie sich in eine Kulisse. Ist der Park nicht schon eine Kulisse? Welche Verbindung gehen historisches Setting und aktuelle Lebenswelt ein?

AB: Die Arbeit Common Ground spricht natürlich das Thema an, wie sehr wir uns im Alltag inszenieren. Mit seinen romantischen Ruinen und künstlich angelegten idyllischen Winkeln ist der Park bereits eine große Inszenierung. Und der Green Screen, früher ausschließlich ein Tool der Filmindustrie, ist längst in der Popkultur angekommen. Er funktioniert als Projektionsfläche für die vielen Wirklichkeiten, in denen wir uns bewegen. Die Projektionsfläche unserer Wünsche und Träume ist in diesem träumerischen Garten gut aufgehoben.

KT: Wenn wir uns vorzugsweise selbst bespiegeln, mag die Gefahr bestehen, dass wir die Schönheit der Welt, die uns umgibt, nicht mehr wahrnehmen, weil wir mit Projektionen leben. Verstellt die digitale Inszenierung den Blick für die Wirklichkeit?

AB: Ich spiele die digitale und die analoge Welt nicht gegeneinander aus. Wir machen uns etwas vor, wenn wir trennen: hier die schöne Natur und dort das digitale Zeug. Die unberührte Natur gibt es nicht mehr. Nature is over. Global Warming droht. Das alles ist Wirklichkeit. Der grüne Green Screen in der Natur ist ein Augenzwinkern. Er ist wie ein Baum, ein natürliches Objekt, wenn man so will.

Wenn man an die Gefahren denkt, die von den Social-Media-Plattformen und deren Wirklichkeit der Inszenierung ausgehen, dann eher an jene, dass es nur eine Handvoll großer Firmen ist, die unsere Daten besitzt. Das Problem ist die Gefährdung unserer Privatsphäre. Ich plädiere dafür, dass wir uns Gedanken machen, wie wir mit diesen Diensten leben wollen. Digitale Kommunikation verändert die Gesellschaft und die Politik. Darf ein Präsident überhaupt twittern? Ist das sinnvoll?

KT: Common Ground ruft auch unsere Abhängigkeit von den Medien in Erinnerung. Denn wenn das Internet ausfällt, WLAN nicht funktioniert, was bleibt? Eine grüne Leinwand in einem grünen Park. Ein schönes Bild. So reflektierst du zugleich über Wirkmacht und Möglichkeiten der bildenden Kunst. Liege ich da richtig?

AB: Ja, die Wirkmacht der Kunst ist groß. Bilder funktionieren in einer auf Bilder fixierten Welt. Wie stark jedoch die bildende Kunst gesellschaftsverändernd wirken und eine treibende Kraft sein kann, das diskutiere ich gerade immer wieder mit Freunden. Es gibt zwingende Probleme, die konkrete Handlungen erfordern. Wann kommt der Moment, wo wir tatsächlich mehr tun müssen als Arbeiten in einer Ausstellung zu zeigen, um zum Denken anzuregen? So wie die Fridays-for-Future-Bewegung der jungen Generation, die sich engagiert. Das ist toll zu sehen.

KT: Du hast Architektur studiert, bevor du dich für die bildende Kunst entschieden hast. Dein Interesse gilt weiterhin dem öffentlichen Raum. Bei den Skulptur Projekten Münster 2017 hast du in einer Unterführung Kronleuchter installiert, deren LED-Licht sich durch Elektrizität speist, die durch die Wärme von Kerzen generiert wird. Die unwirtliche Betonarchitektur verwandelte sich in einen Ort der Zuflucht. Welche Rolle spielt solcherart neoromantische Ästhetik für dich? Ist der Begriff Neoromantik überhaupt passend?

AB: Ja, den Begriff kann man verwenden. Die Arbeit ist ortsspezifisch entstanden in einem Tunnel der Moderne, der eigentlich schon nicht mehr benutzt wird. Es ist ein furchtbarer Raum aus einer Zeit, die ganz dem „Autowillen“, dem Straßenverkehr unterworfen war. Heute hat man begriffen, dass Stadtplanung so nicht funktioniert. Der Tunnel aber führt zu einem Schloss, das die Idee des Romantischen aufruft. Und insofern ist er, wie du sagst, fast ein Zufluchtsort. Die Arbeit vereint Widersprüche.

Zugleich lässt sie sich auch dystopisch deuten. Wie ist es, wenn es keinen Strom mehr gibt? Wie behelfen wir uns dann? Die Problematik kann man gerade in Venezuela beobachten, wo der Strom vielerorts ausfällt und keiner genau sagen kann, ist das jetzt eine Cyberattacke oder nicht. Das sind die Fragen, die heute im Raum stehen. Die Arbeit birgt all diese Bilder in sich.

KT: Eine weitere Arbeit in Münster bestand aus einem Lagerfeuer, an dem man seine Smartphones per thermoelektrischem Effekt aufladen konnte. Auch ein cleveres Szenario für Krisenzeiten. Ist der Mensch ein Überlebenskünstler, präpariert für eine dystopische Welt?

AB: Die Menschen sind bestimmt Überlebenskünstler. Ja. Doch wie gut wir selbst präpariert sind, das wird sich erst noch herausstellen, wenn plötzlich etwas passiert. Wir reden hier aus einer ziemlich privilegierten Situation heraus – selbst noch innerhalb Europas, in Deutschland. Doch in den nächsten Jahrzehnten wird sich viel verändern. Ich glaube, dass es in politischen Diskussionen wichtig ist, immer wieder daran zu erinnern, dass vieles, was wir als grundsätzlich gültig oder unumstößlich halten, gefährdet ist. Darüber denke ich nach ... wenn ich mein Handy in der Hand halte. Das Gerät, das wir ständig aufladen müssen und ohne das wir meinen, nicht mehr leben zu können.